Einblick in die Geschichte der KZ- Außenstelle Walldorf

Geschichte hautnah erleben - Eine Exkursion des Leistungskurses Geschichte ermöglicht einen Einblick in die Geschichte der KZ- Außenstelle Walldorf

Am Montag, den 29. April. 2019 besuchte der Leistungskurs Geschichte der Q2 mit dem Kursleiter Stephan Kilter die Gedenkstätte Walldorf, wo sich im Jahre 1944 eine KZ-Außenstelle befand, ein Nebenlager des KZ Natzweiler-Struthof.
Im August 1944 wurden 1.700 junge ungarische Jüdinnen aus Ausschwitz-Birkenau in das Lager deportiert. Sie sollten erste betonierte Rollbahnen für den Frankfurter Flughafen bauen, das Bauprojekt wurde von der Firma Züblin geleitet. Ende November desselben Jahres deportierten SS-Mannschaften die Frauen in das Konzentrationslager Ravensbrück. Nach Ende des Krieges wollte man sich nicht mit der Thematik auseinandersetzten, sondern diese lieber verdrängen und vergessen. Begünstigt wurde das für die damaligen Einwohner Walldorfs dadurch, dass die Lagerbaracken ein paar Jahre nach dem Krieg gesprengt wurden und das Gelände aufgeforstet wurde. Erst in den 70er-Jahren entdeckten Jugendliche das Lager Walldorf auf einer Karte im KZ Buchenwald und sie begannen nachzuforschen, wobei die Bevölkerung zu dem Zeitpunkt keinerlei Verantwortungsbewusstsein für die Aufarbeitung zeigte.
Mörfelden-Walldorfs Stadthistorikerin Cornelia Rühlig begann 1996 sich mit der Geschichte des Lagers zu befassen und bekam Zugang zu Ermittlungsakten. Außerdem konnte Kontakt zu einer ehemaligen Inhaftierten hergestellt werden: Margit Horváth. Durch Gespräche mit ihr kam man der Geschichte der KZ-Außenstelle immer näher. Es wurden auch weitere Überlebende ausfindig gemacht, in Ungarn, in den USA und vielen anderen Ländern. Durch die Erinnerungen der Frauen konnte man die Geschichte des Lagers nun mit Inhalten füllen. 2000 wurde der „Historische Lehrpfad“ um das ehemalige Lagergelände eröffnet, auf diesem Pfad befinden sich Tafeln, die sich mit der Geschichte der 1. 700 Jüdinnen und des Lagers befassen.
Cornelia Rühlig führte den Leistungskurs zunächst von Tafel zu Tafel und erzählte von der Geschichte des Lagers, den Bedingungen, unter welchen die Frauen lebten, was ihre Tätigkeiten waren und was mit ihnen später geschah. Durch bekannte Einzelschicksale konnte das Geschehen für die Schüler veranschaulicht werden. Ein Beispiel hierfür ist die Geschichte der Küchenhilfe Elza Böhm. Sie soll vermehrt geschwächten und kranken Häftlingen heimlich zusätzlich etwas zu essen gegeben haben. Als dies von der SS bemerkt wurde, wurde sie im Keller der Küchenbaracke zu Tode geprügelt, doch die SS gab als Todesursache Herzmuskel- und Kreislaufschwäche an. Auch andere Frauen wurden in dem Keller geprügelt, sie konnten später berichten, dass der Boden aus Beton gewesen sei. Für die in 2004 gegründete Margit-Horváth-Stiftung war es deshalb sehr wichtig den Kellerboden ausfindig zu machen. Im Rahmen dessen fanden auf dem Gelände Ausgrabungen statt und es konnten 200 Quadratmeter freigelegt werden. Die Ausgrabungen fanden in „International work and study camps“ statt, an welchen auch Nachfahren der ehemals inhaftierten Jüdinnen teilnahmen. Heute steht dort ein Gebäude mit einer besonderen Architektur und einem schräg ansteigenden Dach, welches das Wiederanheben des Waldbodens verdeutlichen soll. Symbolisch soll es die Arbeit der Jugendlichen zeigen, wie sie durch das Anheben den Blick auf die Geschichte freigelegt haben.
Dieses Gebäude, worauf die Namen der 1. 700 Frauen zu lesen sowie Fotos von einigen zu sehen sind, wurde nach der Führung besichtigt und der freigelegte Kellerboden angeschaut. Anschließend stand Frau Rühlig den Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort.
Viele interessante Details an Tätern, Opfern und der historischen Aufarbeitung konnten so vermittelt werden und die Führung ermöglichte den Schülern und Schülerinnen des Leistungskurses Geschichte einen eindrucksvollen Einblick in die Geschichte der KZ-Außenstelle Walldorf. Außerdem kommt man der Geschichte unzähliger Juden während des Holocausts näher, wenn man selber einen Ort des Grauens besucht und sich dort versucht das Leben und Schicksal dieser zu vergegenwärtigen.

(Quelle: Cornelia Rühlig, „Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung…“, Hrsg. Magistrat der Stadt Mörfelden-Walldorf, 2017)