Ausflug ins Dialogmuseum

S. Abstein

Was bedeutet es, blind zu sein?

Wir tasten, riechen, hören, schmecken und sehen. Wir erschließen uns die Welt mit unseren Sinnen. Doch sobald wir auf einen unserer Sinne verzichten müssen oder eingeschränkt sind, erleben wir, wie abhängig wir sind. Dann erfordern alltägliche Situationen einen hohen Aufwand an Zeit, Kraft und Geduld und wir erfahren, dass das, was uns selbstverständlich erschien, neu erlernt werden muss. Vor diesem Hintergrund führte der Klassenausflug der 6f am Freitag, den 19.2., nach Frankfurt ins Dialogmuseum, im Gepäck die Frage: Was bedeutet es, blind zu sein?
Das Dialogmuseum Frankfurt ist kein normales Museum, vielmehr ist es eine eindrucksvolle Welt der Dunkelheit. Im Dialogmuseum ist es dunkel, stockfinster. Nach einer kurzen Einweisung taucht man ab in ein (für Sehende) unbekanntes Universum des Ertastens, Hörens und Fühlens, geführt von einem blinden Guide, der die Sinnesreise mit klaren Anweisungen führt und begleitet. Dialog im Dunkeln nennt sich das sinnesschärfende Programm, bei dem in ca. 70-minütigen Führungen unterschiedlichste Alltagssituationen im lichtlosen Raum zu bewältigen sind.
Und so steht man gleich zu Beginn in dem stockfinsteren Raum; es ist verwirrend, man hat die Augen geöffnet und dennoch sieht man nichts, fühlt sich recht hilflos und klammert sich fest an seinen Blindenstock. Anfangs tastet man sich ganz vorsichtig voran, orientiert sich an den Wänden und folgt den Anweisungen des Guides. Es geht zuerst über einen Kieselweg entlang, der das Gehen unsicherer macht, und bevor man sich an den Untergrund gewöhnt hat, stellen sich erste Hindernisse in den Weg: Mülltonnen und Zäune. Man kommt sich vor wie im Labyrinth, ein Vor und Zurück, zeitweilige Orientierungslosigkeit. Hat man den ersten Teil geschafft, wartet auch schon die nächste Herausforderung: Es geht weiter über eine schaukelnde Hängebrücke, die erst mühsam gefunden werden will, und die Tatsache, dass sich gleich mehrere Personen auf ihr befinden, macht die Überquerung nicht einfacher. Am Ende angekommen sackt man direkt im Boden ein, es riecht leicht modrig, unser Guide heißt uns schließlich „Willkommen“ im Wald-Sumpfgebiet. Nach dem Ertasten von Pflanzen und Steinen ein kurzes Innehalten. Eine Sitzbank bietet eine schöne Gelegenheit, afrikanischen Klängen und Meeresrauschen zu lauschen und all die Eindrücke wirken zu lassen. Nach der kurzen Rast geht es schließlich durch die Stadt, es wartet reger Verkehr, Fußgänger, hupende Autos und die Orientierung nach all der Stille fällt ziemlich schwer. Es wird hektisch. So werden Bordsteinkanten zu wahren Stolperfallen, parkende Autos müssen umlaufen werden, der Taster für die Ampel muss gefunden werden, die Hand gleitet hilfesuchend über die rauen Hauswände, die man passiert. Doch all die Strapazen werden endlich belohnt. Die „Bar im Dunkeln“ lädt zu einem kleinen Snack ein, hinter der Theke stehen Barkeeper und nehmen die Bestellungen und das mühsam ertastete Geld entgegen und reichen einem den Snack und selbstverständlich das passende Wechselgeld. Zwischen Kakao, Brezeln, Chips und Gummibärchen sitzen wir mit unserem Guide in einer abschließenden Gesprächsrunde zusammen und können Fragen stellen. „Wie surft man im Internet?“, „Wie stellst Du Dir Farben vor?“ oder „Wie schreibst Du mit dem Handy?“. Mit viel Humor, Geduld und Offenheit erhalten wir einen kleinen Einblick in die Welt unseres blinden Guides. Nach über 70 Minuten endet unsere Führung, die gefühlt wohl eher 20 Minuten gedauert haben muss. Es bleiben viele Eindrücke zurück und eine Frage stellt sich nach dem gelungenen Besuch sicher nicht mehr: Was bedeutet es, blind zu sein?