JGW-SchülerAkademie 2022
Die Deutsche SchülerAkademie ist ein außerschulisches Programm des Förderzentrums Bildung & Begabung für besonders lernmotivierte Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler. Jeden Sommer werden dafür mehrere, meist 16-tägige Akademien an verschiedenen Standorten in Deutschland veranstaltet. Man lebt dabei mit Gleichaltrigen aus ganz Deutschland in einem Internat und erarbeitet sich, zusammen mit den Kursleitenden, komplexe Themen, welche an die Grenzen der Lernfähigkeit heranführen. Die Kurswahl liegt bei verschiedensten Fachbereichen – z.B. Medizin, Mathematik, Psychologie oder Philosophie.
In den ersten anderthalb Wochen der Sommerferien entschied ich mich, an dem Programm der Deutschen Schülerakademie teilzunehmen. Dank großer Unterstützung von Herrn Fay, der sich um die Schulbewerbungen kümmert, und meinem Tutor Herr Bartsch, welcher mir ein Empfehlungsschreiben anfertigte, bekam ich die Möglichkeit, meine Wunschakademie und Kurse zu wählen. Je nach Glück bzw. Auswertung eines Algorithmus‘ wird man zu einem seiner angegeben Kurse zugelassen. Mein Erstwunsch: „Von der Quantenmechanik zum Quantencomputer“ in der „HÖB“ (Historisch-Ökologischen Bildungsstätte) in Papenburg. Diesen bekam ich glücklicherweise auch. Sonst gab es physikfremdere (und damit weniger interessante), insgesamt fünf weitere Kurse in der gleichen Akademie neben meinem, welche Thematiken wie z.B. „Risiken und Möglichkeiten der Gentechnik“ oder auch „Literatur und Recht“ umfassten.
Am ersten Sonntag der Sommerferien reiste ich dann ca. sechs Stunden mit einem Direkt-ICE nach Papenburg an. Mein erster Eindruck: ein bescheidenes Städtchen mit schönen Backsteinhäusern. Doch als wir in der Bildungsstätte ankamen, waren alle Mitfahrenden überrascht: angenehme naturnahe Atmosphäre, ein See mit eigenen Paddelbooten zum Befahren, die einzelnen Zimmer gebaut als kleine Häuser und platziert in eine Art Gewächshaus. Der Ort und die Wege sind von unterschiedlichen Pflanzen bewachsen und von Tierchen wie Fröschen bewohnt. Das Essen ist ähnlich ökologisch-nachhaltig angelehnt; alles lokal und meistens vegetarisch oder vegan.
Kurz gesagt: Mit der Wahl meines Akademieortes hatte ich ziemlich Erfolg.
Doch auch die Menschen trugen viel zu der freundlichen und ansprechenden Atmosphäre bei. So ist es meiner Meinung nach nicht untertrieben zu behaupten, dass der Besuch der Akademie eine der besten menschlichen Erfahrungen war, die ich bis jetzt gemacht habe. Wir bestanden aus einer Gruppe von ca. hundert 16- bis 18-Jährigen und insgesamt zwanzig Studenten, Promovierenden oder auch Professoren, die sich auf freiwilliger Basis bereit erklärt hatten, uns einen Teil ihres Interessenfeldes näher zu bringen. Anfangs waren dies noch alles fremde Leute, denen ich mich jedoch innerhalb von wenigen Tagen unbewusst annäherte. Vor allem die Kursleiter waren extrem hilfsbereit und offenherzig, doch auch unter uns Schülern gab es keine „typischen“ Ausgrenzungen oder Verhaltensmuster, wie sie sich bedauernswerterweise heutzutage teilweise in meiner Altersgruppe gefestigt haben. Wir hatten viele interessante und nützliche Konversationen über Bildungswege und unsere persönliche Zukunft - die Kursleitenden boten uns ihre Erfahrungen an. Innerhalb eines Berufsorientierung-Abends konnten wir individuelle Gespräche führen, was mir rückblickend die besten Informationen geliefert hat (bezüglich Stipendien, das freiwillige soziale/ökologische Jahr, Studienwahl und andere Weiterbildungsprogramme).
Neben intensiven Kursstunden, die sich direkt am ersten Tag anbahnten, darunter am Vormittag drei Stunden und am Nachmittag weitere zwei Stunden, hatten wir vier Stunden Mittagspause und damit unendliche Möglichkeiten, uns zu beschäftigen. Uns wurde alles Erdenkliche zur Verfügung gestellt, um unsere sogenannten „KüAs - kursübergreifenden Aktivitäten“ umzusetzen. Von Backen, Musizieren, Fahrrad fahren in die Niederlande, PowerPoint-Karaoke, Volleyball und Ultimate-Frisbee in der Turnhalle bis zum Bootfahren, um Biber zu beobachten, Tanzkurse, Impro-Theater und Crashkurse in Chinesisch. Ich schlug dazu eher unkreativ Eisessen vor und war damit sehr überrascht zu sehen, dass sich die Menschen dort sehr gut selbst organisieren konnten.
Auf den Inhalt meines Kurses werde ich nicht zu tief eingehen, da ich ehrlicherweise selber nur schwer begriffen habe, mit was wir uns auseinandergesetzt haben. Zu den Quantencomputern kamen wir nur knapp, da wir uns mit der Physik dahinter, der Quantenmechanik, schwertaten. Unsere zwei Kursleiter Robin und Michael, beide Physik-Masterstudenten der Uni Heidelberg, brachten bzw. versuchten, uns grundlegende Ideen/Postulate der Kopenhagener Deutung beizubringen: Phänomene, wie die bekannten Superpositionen (dass sich ein Teilchen zwischen zwei Zuständen befindet (das gilt wiederum nur für ein Zwei-Zustand-System, das am einfachsten zu betrachtende quantenmechanische System, es geht allerdings auch mit unendlichen Zuständen), die sich jedoch nicht messen lassen, da eine Messung der Observablen/des Operators „das System in dem zum gemessenen Eigenwert gehörenden Eigenzustand überführt…“ (praktisch das Teilchen zwingt, sich für einen Zustand zu entscheiden, somit die Superposition verfällt). Folglich sei die Quantenmechanik nicht als Theorie über physikalische Systeme an sich aufzufassen, sondern als eine Theorie über die Wahrscheinlichkeit der Ergebnisse möglicher zukünftiger Messungen an solchen Systemen. Damit wird die Quantenmechanik letztlich zu einer Informationstheorie, die nicht direkt von physikalischen Systemen, sondern von unserem möglichen Wissen über diese handelt. Theorien wie die Quantenverschränkung, der Welle-Teilchen-Dualismus, der Kollaps der Wellenfunktion, die Quantenteleportation usw. basieren sich dadurch, vereinfacht gesagt, auf quantenphysischen Grundannahmen, welche den Ausgang des jeweiligen Experimentes erklären, doch durch die Messproblematik nicht direkt bewiesen werden können. Alles ein wenig verwirrend und trotzdem wagten es die zwei Doktoranten, uns nicht nur theoretisch zu belehren, sondern auch schöne mathematische Herleitungen aus dem dritten Physik-Semester anzuschneiden, um uns die großen quantenphysischen Errungenschaften wie z.B. die „Schrödinger Gleichung“, die „Bellsche Ungleichung“ sowie die „Heisenbergsche Unschärferelation“ näherzubringen. Dafür mussten wir eine Reihe an neuen Notationen einführen.
Jedoch war genau das der entscheidende und anregende Punkt am Kurs: Alle waren motiviert, endlich zu verstehen, was uns vorgetragen wurde. Unsere Kursleitenden waren von Anfang an entschlossen, uns einen Querschnitt der Quantenphysik zu geben und so konnte man auch den gesamten Kursunterricht als physikalisches Zwei-Niveau-System betrachten: zwischen „extremer Begeisterung für den bis jetzt komplexesten und Studium-nächsten Unterricht“ sowie „Frustration aufgrund des schweren Nachvollziehens“. Alles in einem faszinierten mich die ganzen herausfordernden Konzepte sehr und ich bekam aufgrund des hohen Grades der Abstraktion und Komplexität erst so richtig das Verlangen, mich mit der Quantenphysik in der Zukunft mehr zu beschäftigen, auch wenn diese teilweise einfach absurd ist.
Insgesamt kann ich demnach weitergeben, dass die Akademie eine sehr horizonterweiternde und für die Zukunft weiterhelfende Erfahrung gewesen ist. Ehrlicherweise hatte ich keine großen Erwartungen und im Nachhinein kann ich es jedem empfehlen, der noch die Möglichkeit hat, an so einem Programm teilzunehmen. Es war bei Weitem die beste Berufsorientierung und das beste menschliche Erlebnis zugleich.
Bei weiteren Fragen meldet euch gerne :)